Uelzen, am Montag den 18.08.2025

Es geht aufs Meer

von Carlo Eggeling am 05.12.2022


Im Auftrag des Herrn
Kirche, Lüne und Henry Schwier, das gehört zusammen. Trotzdem geht er. Aus gutem Grund

Lüneburger Gesichter (40)
In einer lockeren Reihe stelle ich unbekannte Bekannte vor

Die Gemeinde Lüne ohne Henry Schwier? Irgendwie kaum vorstellbar. Seit 22 Jahren betreut der Diakon das Viertel Lüne-Moorfeld im -- wenn man so will -- weiten Schatten des Klosters. Zig Konfirmanden haben sich mit ihm auf den Weg zum lieben Gott gemacht oder haben zumindest einiges über das Christentum gelernt und sicher einige Werte verstanden und beherzigt. Einige studierten sogar Theologie. Auf seinem VW-Bus prangen die Schriftzüge der Gemeinde und der Jugend. Dazu Notfallseelsorge im Kirchenkreis und Fundraising, also das Sammeln von Spenden. Das war immer mehr als nur ein Job. Henry nicht mehr dabei? Geht das?

"Das habe ich mich auch gefragt und lange mit meiner Familie überlegt", sagt der 52-Jährige. Er sieht es so: Immer wieder habe er Jugendliche begleitet, die irgendwann gegangen sind, weil sie etwas Neues anpackten. Nun sei für ihn die Zeit gekommen, einen neuen Anfang zu wagen. Er lacht: "Und bevor die Opa zu mir sagen, gehe ich." Wobei er selbstbewusst sagt: "Mit dem, was ich alles mache, gelte ich immer noch als innovativ."

Er hat den Kompass gestellt, sein Kurs die weite Welt: "Ich gehe zur Seemannsmission nach Hamburg." Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising sind seine neuen Arbeitsgebiete. Der Dachverband der Mission sitzt in der Metropole, in 16 Ländern gebe es 17 Außenstationen. Ihre Anliegen soll Schwier bekanntmachen und für die Arbeit Geld sammeln.

Auch wenn die Organisation christlich ist, sei sie überkonfessionell tätig. "Es geht einerseits um klassische Sozialarbeit", erklärt der Diakon. In Hamburg betreibt die 140 Jahre alte Organisation ein Haus namens Duckdalben, Anlaufpunkt für Seeleute aus aller Welt. Die andere Seite: Viele der Männer kommen kaum noch von den Schiffen, der Containertransport ist enger getaktet als ein Busfahrplan: "Die Liegezeiten der Schiffe so kurz wie möglich. An Bord arbeiten sie 80, 90 Stunden die Woche." Wer dort ackert, hat seine Wurzeln meistens in Ländern, in denen der Wohlstand nicht unbedingt zu Hause ist. Deutsche Seeleute gibt es zumeist nur in leitenden Positionen.

Das bedeute, dass Kollegen aus der Mission auf die riesigen Pötte gehen, etwa um Telefonkarten zu verteilen, aber auch, um sich Sorgen und Nöte anzuhören, um Trost zu spenden. "Es gibt auch die Fälle, wo die Heuer irgendwo endet und die Seeleute dann mehr oder weniger stranden", erzählt Schwier. Gerade in den hohen Corona-Zeiten sei es schwierig gewesen, weil die Seefahrer nicht in ihre Heimat zurückreisen konnten oder von Beschränkungen betroffen waren.

Die Schiffe ächzen zwar mit ihrer Fracht rund um den Globus, um Jeans, Maschinen, Computerteile und Getreide zu schleppen, "doch wer hat die Menschen im Blick, die das machen"? Da versuche die Mission ein Begleiter zu sein. Die Mitarbeiter müssten reisen, brauchten eine Ausbildung für viele Fragen, da komme er ins Spiel: als Geldbeschaffer. Er sieht -- naheliegend -- Reedereien als Spender, will aber auch andere Unternehmen gewinnen. Und er will das Leben auf den Schiffen präsenter machen -- schließlich profitieren alle davon. Allerdings ohne das "Dahinter" zu sehen.

Etwa die Geschichte der Crew, in deren Reihen ein Kollege starb weit draußen aus See. Es sollte eine Trauerfeier geben. Die lief dann von Land aus per Videokonferenz. Dabei sein, selbst wenn Hunderte Meilen dazwischen liegen. Das Gefühl, dass der liebe Gott überall ist.

Einen Monat lang will er einen Einblick in das Leben an Bord nehmen und reist so beispielsweise ein paar Tage mit bis Antwerpen, selber auf einem Koloss aus Stahl, um eine Grundlage zu haben. "Ich will verstehen, wie es ist, wenn man Monate von zu Hause weg ist und nur mit dem Telefon Kontakt zu seiner Familie halten kann."

Sein Ankerplatz bleibt in Lüne. Frau und drei Kinder, diesen Heimathafen will der Diakon nicht missen. Die Gemeinde und ihre reges Leben ebenfalls nicht. Aber eben das sei eine stabile und gute Basis, um weiterzublicken, um sich anders zu engagieren. "Ich habe das immer gemacht, immer etwas Neues angepackt", sagt Henry. In der Gemeinde, im Kirchenkreis war er bei Projekten dabei, seine Ausbildung als Foundraiser hat er vor Jahren gemacht.

Er sei auf einer Friedenskonferenz in Jamaika gewesen, ein Geschenk sei das gewesen, weil er da von Menschen, die eben nicht in Europa zu Hause sind, einen anderen Blick auf die Welt kennenlernte. Das öffnet nicht nur den Geist, sondern auch das Herz. Wenn es gut läuft, nimmt man sich weniger wichtig, weil die Herausforderungen anderswo größer sein können.

Nun kommt eine neue Herausforderung. Die letzte im Berufsleben? Henry lacht und sagt: "Ich habe noch 15, 16 Jahre vor mir. Wer weiß." Aber nun segelt er erst einmal los. Und na, klar. Die Gemeinde verabschiedet ihn mit einem Gottesdienst. Sein Wunsch? Eigentlich sagt er, was man erwartet: "Der darf gern etwas anders sein." Das bekommen sie hin in der Klosterkirche. Sie hatten ja einen, von dem man gut lernen konnte. Carlo Eggeling

Das Foto (ca) haben wir im Jugendraum der Gemeinde gemacht. Der beste Rahmen, auch weil Jugendfreizeiten, etwa nach Schweden, noch heute als legendär gelten.

© Fotos: ca


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