Uelzen, am Montag den 18.08.2025

Es gibt Antworten

von Carlo Eggeling am 11.11.2022


Oberbürgermeisterin Claudia Kalischs Bilanz nach einem Jahr im Amt

Ich hatte die Oberbürgermeisterin um ein Interview gebeten. Das lehnte sie ab, für Landeszeitung und Lünepost fand sie Zeit. Auch eine angeregte Pressekonferenz, bei der alle hätten nachfragen können, war nicht möglich. Daraufhin stellte ich schriftlich Fragen. Darauf gab es Antworten. Dafür Danke.
Doch es ist etwas anderes, sich gegenüberzusitzen und nachhaken zu können. Das macht ein Gespräch interessanter -- auch für die Leser. Und vor allem spontaner. In dieser Form können die Aussagen über verschiedene Tische gegangen sein.

Das ist das Ergebnis:

Was steht als nächstes an?
Kalisch: Ob in der Stadt oder im Landkreis, zurzeit steht neben der Finanzpolitik die Unterbringungen von Geflüchteten im Fokus. Deswegen haben sich die Verwaltungsleitungen hier zusammengetan, um eine gemeinsame Linie zu fahren.

Was sind Herausforderungen, mit denen Sie nicht gerechnet haben?
Kalisch: Der Krieg in der Ukraine und die gravierenden Folgen.

Wie wollen Sie die Verwaltung für die kommenden Jahre umbauen und zukunftsfest machen?
Kalisch: Wir haben eine Stabsstelle für nachhaltige Entwicklung zusammengezogen, die sich vorwiegend um Bürger:innen-Beteiligung, Stadtentwicklung und Zukunftsfragen kümmert. Ansonsten werden nach und nach viele Stellschrauben justiert, um die Stadtverwaltung und die Stadt zukunftsfähig zu machen.

Die Mobilitätswende zur Fahrradstadt -- wo bleiben Projekte und Umsetzungen?
Kalisch: Wir haben jetzt vor allem gute und richtige Programmpunkte umgesetzt, die noch aus vergangenen Zeiten stammen, wie etwa den Umbau der Uelzener Straße. Wir werden – wie schon lange – den Radring um die Innenstadt schließen, die Beschlüsse dazu sind gefallen. Wir planen aktuell außerdem den Umbau der Radführung in der Hindenburgstraße und die Verbesserung der Radverkehrssituation an der Dahlenburger Landstraße. Bei allem müssen wir neben den Wünschen aus Stadtgesellschaft und Politik immer im Blick behalten, was überhaupt möglich ist in einem Jahr mit Planung, Beschlüssen, Ausschreibungen, Vergabe und Bauarbeiten – da heißt es: realistisch bleiben.

Klimaschutz. Was ist passiert, um Lüneburg klimaneutraler zu machen? Das wollen Sie in zehn Jahren schaffen. Was wurde umgesetzt?
Kalisch: Hier knüpfen wir an die vorherige Frage an. Die Verkehrswende ist ein Baustein der Klimapolitik für Lüneburg. Ein weiterer wichtiger Baustein ist die energetische Gebäudesanierung sowie der konsequente Ausbau von Photovoltaikanlagen auf Neubauten bzw. die Nachrüstung bei vorhandenen großen Dachflächen. Bei Neubaugebieten ist die Biothermie in Kombination mit Wärmepumpen ein Standard, den wir erreichen sollten.

Bezahlbarer Wohnraum. Gibt es konkrete Pläne? Das Baugebiet Wienebüttler Weg wollten Sie nicht befördern, sondern haben sich im Rat entgegen der Empfehlung Ihrer eigenen Verwaltung der Stimme enthalten. Wo, wann, was passiert an anderen Stellen? Angeblich könnte man in Dachgeschossen 1500 oder gar 2000 Wohnungen entstehen lassen, war Thema im OB-Wahlkampf. Was ist daraus geworden?
Kalisch: Ein schönes Beispiel ist am Eingang der Grapengießerstraße zum Sande zu sehen, über der Buchhandlung "Lünebuch" ist wieder Wohnraum geschaffen worden. Die Innenstadt nicht nur als Erlebnisraum, sondern auch als Wohngebiet zu sehen. Der Ausbau vom 1. Obergeschoss und Dachgeschoss-Wohnungen ist der richtige Weg.

Lebenswerte Innenstadt. Der Leerstand bleibt nach wie vor hoch. Wo haben Sie Initiativen angeschoben, das zu verändern? Vom Innenstadtbeirat ist nichts zu vernehmen. Der Marienplatz sieht so trostlos aus, dass man sich beinahe einen Parkplatz zurückwünscht, wenn das die Alternative ist. Bei den Sülfmeistertagen gab es kein Programm, lediglich vier Tage Schausteller-Meile auf dem Sand. Sie haben den Vorsitz im Aufsichtsrat der LMG übernommen. Welche Akzente haben Sie gesetzt? Womit können wir rechnen?
Kalisch: Die Sülfmeistertage werden künftig wieder zu den Veranstaltungen der Stadt gehören. Dass sie ausgefallen sind aufgrund organisatorischer und personeller Engpässe, ist bedauerlich. Aber wenn man durch die Innenstadt geht, dann sieht man auch, dass wir es aktuell nicht nur mit Leerstand, sondern auch mit Erneuerung zu tun haben. An der Bäckerstraße wird in leerstehenden Geschäften gewerkelt, da ziehen neue Geschäfte ein. Ziel ist es, einen Wandel in der Innenstadt zu erreichen: neben dem „Kaufhaus Lüneburg“ das Leben und Wohnen in der Innenstadt zu fördern sowie die Aufenthaltsqualität zu erhöhen. Der Marienplatz war dazu ein Versuchsfeld. Bei der Umgestaltung von Straßen und Plätzen in der Innenstadt fallen 44 Parkplätze tatsächlich weg, 83 werden anders (durch Anwohnende) genutzt. Das ist ein Bruchteil der Innenstadt-relevanten Plätze. Statt weiter die Konfrontation Rad versus Auto zu bedienen, setze ich auf Kommunikation und Annäherung.

"Echte und dauerhafte Bürger*innenbeteiligung" ist Ihnen wichtig. Sie schreiben: "Es genügt nicht, eine Zukunftsstadt theoretisch zu denken. Nur die echte Beteiligung aller relevanten Akteurinnen und Bürgerinnen führt zu umsetzbaren und akzeptierten Ergebnissen." Wie viele von Ihnen sehr oft angesprochene Bürgersprechstunden gab es binnen des vergangenen Jahres? Wo sind Bürger in Prozesse eingebunden. Neulich hat Ihnen der Zukunftsrat vorgeworfen, er fühle sich eben nicht eingebunden.
Kalisch:Wir sind auf dem Weg und haben auch intern die personellen Ressourcen dafür sortiert. Wie im jüngsten Verwaltungsausschuss verabredet, werden wir zu einer interfraktionellen Arbeitsgruppe einladen, sobald der Haushalt verabschiedet ist. Diese Arbeitsgruppe wird das Konzept der Büger:innenräte konkretisieren. Anschließend ist die Politik am Zuge, die Umsetzbarkeit zu diskutieren und entsprechende Beschlüsse zu fassen.

In die gleiche Richtung geht Ihre Ankündigung, dass Sie die Verwaltung bis zur Sachbearbeiterebene aufsuchen wollten. Was ist daraus geworden? Wie weit sind Sie da gekommen bei 1400 Mitarbeitern?
Kalisch: Ich habe viele kennengelernt. Gerne hätte ich noch mehr Mitarbeitende persönlich getroffen, leider hat das der Terminkalender nicht in dem Maße zugelassen, wie ich es mir gewünscht hätte.

Die Gesundheitsholding steckt in Schwierigkeiten. Ihr Chef, Herr Sauer, hat ein Defizit von 25 Millionen Euro prognostiziert. Wie steht die Stadt als Trägerin des Gesundheitskonzerns dazu? Überlegen Sie, den Bereich möglicherweise zu verkaufen?
Kalisch: Nein, da halte ich strikt an der bisherigen Linie fest. Ich setze mich gemeinsam mit den Geschäftsführern der Kliniken und den Landtagsabgeordneten dafür ein, dass wir am Standort Lüneburg Maximalversorger werden.

Der Haushaltsentwurf für die Stadt erwartet ein Minus von 40 Millionen Euro. Was ist ihr Konzept? Was wird nicht gebaut und umgesetzt? Wo liegt Ihre Linie?
Kalisch: Die Finanzpolitik ist die Stunde des Rates, hier erarbeiten wir Vorschläge, um das Defizit zu senken. Was am Ende umgesetzt wird, welche Vorschläge aus den Fraktionen kommen, das diskutieren wir in den Finanzberatungen im Finanzausschuss. Am Ende entscheidet der Rat.

Sie stehen in der Kritik, Ihnen wird Entscheidungsschwäche vorgeworfen. Im Rat bezeichneten Sie neulich Nachfragen als "Frechheit", was ein Indiz dafür sein könnte, dass Sie "dünnhäutiger" werden. Ist dem so? Wie hatten Sie sich den Umgang im Rat und in und mit Medien vorgestellt?
Kalisch: Ich sehe Kritik grundsätzlich immer als Diskussionsbeitrag. Nur wenn das Gefühl überwiegt, dass aufgrund persönlicher oder parteipolitischer Befindlichkeiten die Sachlichkeit in der Diskussion verloren geht, finde ich das sehr schade. Gerade aufgrund der großen Herausforderungen, die wir aktuell zu bewältigen haben, wünsche ich mir mehr Miteinander.

Sie verhandeln über die Regierungsbildung von SPD und Grünen in Hannover mit. Wie schätzen Sie Ihre Rolle auf Landesebene ein? Bleibt es bei Ihrer Aussage, dass Sie Ihre Amtszeit in Lüneburg bis zum nächsten regulären Wahltermin erfüllen?
Kalisch: Über Sondierungsgespräche rede ich nicht öffentlich. Mein Platz ist in Lüneburg.

Es gibt viele Themen, die ich journalistisch für relevant halte und von denen ich denke, dass es nach einem Jahr eine gute Zeit für eine vorläufige Bilanz ist. Sie sehen das offenbar anders. Warum?
Kalisch: Es ist jetzt nicht die Zeit, sich auf die Schulter zu klopfen, es ist keine Zeit für Bilanzen, dazu sind die aktuellen Herausforderungen zu groß.

© Fotos: ca


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