Uelzen, am Montag den 18.08.2025

Hinterm Reichtum stinkt‘s — Archäologen graben an der Rittersttaße

von Carlo Eggeling am 17.04.2023


Ein paar helle Streifen im Untergrund, unscheinbar -- und aufregend: Sie sollen von Fuhrwerken stammen, die sich hier mutmaßlich im 12. Jahrhunderten durch den Boden wühlten. Das ist aus zwei Gründen besonders. Zum einen wäre Lüneburg aus seinen Keimzellen Burg und Siedlung, Alte Brücke mit der Siedlung Modestorpe zwischen St. Johannis und Ilmenau sowie Saline Jahrzehnte früher zusammengewachsen als gedacht. Zum anderen könnte hier -- nach Einschätzung des ehemaligen Stadtarchäologen Prof. Edgar Ring -- ein Weg von der Saline in Richtung Ilmenau gelaufen sein und damit eine Verbindung, die Altertumsforscher und Historiker bislang nicht verfolgt haben. Die Heiligengeiststraße galt als Weg.



Rings Nachfolger Tobias Schoo untersucht mit Kollegen der Firma Archeofirm um Grabungsleiter Felix Jordan den ehemaligen Parkplatz zwischen Ritterstraße und Ostpreußenmuseum. Das Muesum will sich um eine Abteilung für den Königsberger Philosophen Immanuel Kant erweitern. Wer in der Innenstadt in die Tiefe geht, muss in der Regel archäologischen Untersuchungen zustimmen und sie finanzieren. Das erklärt auch, warum erst jetzt wieder gebuddelt wird.

2014 hatte sich das Museum schon einmal ausgedehnt, da ging's nebenan abwärts. Einst war hier der Reichtum zu Hause: Die Familie Töbing lebte und arbeitete auf dem Komplex, der sich von der Heiligengeist- zur Ritterstraße zog. Die Töbings, Kaufleute und Bürgermeister, gehörten zur High Society des alten Lüneburgs. Die Handelsherren betrieben auf der Parzelle ein Brauhaus. Nur einen Steinwurf entfernt vom Grundstück der späteren Kronen-Brauerei.



Damals fanden die Tiefengräber zwei Kloaken. Die mittelalterlichen Toiletten wurden alle Jahrzehnte in stinkenden Einsätzen entleert. Eine der beiden war allerdings noch gut gefüllt mit Ausscheidungen und Müll der Ahnen. So fanden die Wissenschaftler Scherben und einen Pfeifenkopf, der dokumentierte, was auch jetzt zu beobachten ist: Lüneburg trieb regen Handel. Geschirr aus dem Rheinland, zudem aus Skandinavien, England und Südfrankreich.



Besonders ist aus Schoos Sicht dunkle Keramik sowie das Füßchen eines Grapen, eines dreibeinigen Kochtopfes, die er in die Zeit nach 1200 datiert. Indizien für eine andere Zeitrechnung als bisher. Doch verwundern kann das Ganze letztlich nicht. Lüneburg, erstmals 956 in alten Quellen erwähnt, wuchs wie andere Städte auch über Jahrhunderte.

Zur Heiligengeiststraße präsentierten Handels- und Salzherren mit stolzen Fassaden ihren Reichtum, nach hintenraus wurde gearbeitet, gelebt und sich entleert. Die Wallstraße trägt es noch im Namen, hier endete die alte Stadt, hier trug sie Rüstung: Wälle, Mauern, Gräben, um sich vor Angreifern zu schützen. Einen Steinwurf entfernt tröpfelte die Gumma als Regen- und Abwasserkanal und vereinigte sich mit der Faulen Au, der Name lässt riechen, wozu sie diente. Alles lange verschwunden, wie eben auch der Stadtgraben über den sich nun die Wallstraße zieht.



Auf der neuen Parzellen haben die Wissenschaftler wieder eine Kloake freigelegt. Dazu kommen, als dunkle Verfärbungen, Überreste von Staken und Pfählen; und Kupferschmelz -- Schoo vermutet, dass die Kollegen hier auf Reste einer Schmiede gestoßen sein könnten, in der zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert in Essen Metall glühte, Hammer und Amboss den Takt des Arbeitslebens vorgaben.



Das Mittelalter kommt hier besonders nah: In 50 bis 80 Zentimeter Tiefe finden die Wissenschaftler Erbstücke aus Lüneburgs erhabener Zeit der Salz-Magnaten. Der Solequell, aus dem die Ahnen das Weiße Gold schöpften, machte die Stadt bedeutend und reich. Reger Handel verband mit Lübeck, der Königin der Hanse. Dem Wirtschaftsverbund, der in der Mitte des 12. Jahrhunderts Europa beherrschte.



Doch die jüngere Zeit hat ebenfalls Spuren hinterlassen. Die zeigen, das Stadt einen dynamischer Prozess bedeutet. Schoo und seine Kollegen haben ein paar Matchbox-Autos gesichert.



Bis Mai durchstöbern die Wissenschaftler noch Lüneburgs Hinterlassenschaften, danach können die Baumaschinen kommen. Carlo Eggeling

Die Bilder (ca) zeigen Funde der Wissenschaftler. Tobias Schoo erläutert beim Pressetermin die Bedeutung.





























© Fotos: ca


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