Konsens, Nonsens — Ein Rückblick auf die Woche
von Carlo Eggeling am 10.09.2023Meine Woche
Konsens. Warum?
Konsens ist ein tolle Sache. Immer schön, wenn alle eine vermeintlich gute Lösung finden. Wer daran Zweifel hat, der stellt sich außerhalb der Gemeinsamkeit, das ist natürlich gemein. Dieses viele Reden von Konsens, vom alle mitnehmen, niemandem etwas angeblich Verletzendes sagen, mag zwar eine neue Gesprächskultur sein, auch so ein merkwürdiges Wort, nur eins ist sicher nicht verschwunden: der Konflikt, das Ringen um unterschiedliche Ziele.
Ich habe neulich über die lokale SPD geschrieben. Das Bauressort der Stadt stand mehrfach in der Kritik. Der Vorsitzende des Bauausschusses, ein Genosse, mag auch den Konsens, kontrolliert dabei aber zu wenig die Stadtbaurätin, auch eine Genosssin, und geht politisch betrachtet daher zu freundlich mit der vorgesetzten grünen Oberbürgermeisterin um -- diese Sicht kommt aus seiner eigenen Partei. Während Sozialdemokraten den Beitrag entweder gut finden oder schweigen, melden sich nun Grüne zu Wort. Kurz: Ich würde die Grünen schlecht machen, wieder einmal. Der Ausschussvorsitzende sei selbstredend ein Guter, weil er den Konsens pflege.
Aha. Es gab in dem Beitrag gar keine Kritik an den Grünen, sondern an der Verwaltung. Von der SPD. Aber das nur nebenbei. Interessant ist doch, dass dem Ochtmissener Sozi immerhin ein maßgeblicher Grüner an die Seite springt. Welche Konstellation tut sich da auf? Für meinen Geschmack ist es ein vergiftetes Lob. Denn wenn man ein bisschen nachdenkt, kann daraus schließlich werden: Der Mann ist gut für uns Grüne.
Die Botschaft reicht weiter, wer Konsens infrage stellt, besorgt das Geschäft von "denjenigen, die wir alle nicht wollen können. Das sollten wir niemals vergessen". Unschwer zu erkennen ist damit die AfD gemeint. Was soll uns das sagen? Als Autor bin ich auf der Seite der AfD? Sicher nicht, ich habe immer wieder über die unappetitliche Truppe geschrieben, die engste Beziehungen zu rechten Ultras pflegt. Um es klar zu sagen: Diese Partei ist eine Gefahr für die Demokratie.
Ich weiß, dass manche aus diesem rechten Lager öfter mal ein Like oder einen Kommentar auf meiner Seite hinterlassen, weil sie gut finden, was ich schreibe. Das ist so. Aber Berichterstattung kann nicht so funktionieren, dass es SPD, CDU, Grünen, FDP und der Linken gefällt und wenn nicht, wird's AfD-nah. Was ist das für ein Weltbild, was ist das für ein Unsinn? Das ist fast denen nahe, die von Staatsmedien und gelenkten Journalisten fabulieren. Dass Presse sich hinterfragen muss, selbstverständlich, aber in den meisten Redaktion sitzen Kollegen, die ihre Arbeit gut machen. Noch eins: Wer menschenverachtend schreibt, fliegt von der Seite, kommentarlos.
Ewiger Konsens ist langweilig, gefährlich und träge. Am Ende kann ein Kompromiss stehen, das ist etwas anderes. Demokratie lebt davon, dass es unterschiedliche Ideen gibt, dass Parteien und Politiker darum ringen. Das muss zu erkennen sein für den Bürger und Wähler. Zudem ist doch überall zu merken, wie sich unser Land und die Stadt verändern. Da braucht es Visionen, wo es hingehen soll und keine Nichtentscheidungsträger, die lieber Gutachter beauftragen, weil sie so Verantwortung abgeben wollen.
Ein Satz zu den sich so angegriffen fühlenden Grünen. Ich kenne einige sehr lang. Da haben sie gute Oppositionsarbeit gemacht und die Stadtspitze getrietzt -- eben um etwas zu erreichen. Das haben sie geschafft. Doch nun sitzen sie auf der Regierungsbank, da steht man eher im Fokus und muss sich Kritik gefallen lassen, gehört zum Geschäft, sollte man in zwei Jahren gelernt haben. Ansonsten zurückdenken, dann fällt es zumindest den Älteren wieder ein. Und: Ich treffe mich gern immer wieder mit Freunden, die Mitglied der Grünen sind. Klasse Leute.
Wer von zweifelhafter Nähe spricht, sollte kurz innehalten. Parteifreunde agieren bisweilen anders. Vor kurzem machte ein Fall aus Backnang im Schwäbischen Schlagzeilen, dem Wahlkreis von Grünen-Chefin Ricarda Lang. Die Welt hat berichtet: „Der Vorsitzende der grünen Stadtratsfraktion, Willy Härtner, hatte der „Backnanger Kreiszeitung“ über den Umgang mit der AfD im Gemeinderat gesagt: „Wir sind alle per Du und gehen nach der Sitzung auch zusammen ein Bier trinken“. Damit schloss er auch die beiden Gemeinderäte der AfD-Fraktion ein. In den „Tagesthemen“ hatte Härtner zur Zustimmung zum AfD-Antrag zur Förderung eines privaten Theaters gesagt: „Egal was die machen, wir sind vereidigt zum Wohle der Stadt.“
Lang hatte später betont, eine gemeinsame Abstimmung werde es nicht mehr geben.
Vermutlich ist auch das wieder Grünen-Bashing. Deshalb sei klargestellt, das haben andere Medien berichtet. Carlo Eggeling
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