Uelzen, am Montag den 18.08.2025

Lebensgefährlich

von Carlo Eggeling am 02.04.2023


„Das Leben ist immer lebensgefährlich“, hat Erich Kästner geschrieben. Das ist natürlich gemein und eine große Herausforderung. Weil wir in einer Welt leben, in der wir ständig meinen, dass jemand für uns verantwortlich ist, muss der Staat oder sonst wer die Risiken entschärfen, wenn wir dusselig oder übermütig sind. Lüneburg möchte nun viel Verantwortung übernehmen.

Die Geschichte geht so: Vor vier Jahren radelte eine Frau in Höhe der alten Bezirksregierung an der Ilmenau entlang. Kopfsteinpflaster lässt die Tour hopsgig werden. Eine Reihe von Platten an der Hafenkante schafft Linderung. Wie auch immer, die Dame kam vom rechten Weg ab, übte den freien Fall und landete im kühlen Nass. Sie kam schlecht aus dem Fluss, weil eine Leiter — je nach Wasserstand — einen halben Meter über der Wasseroberfläche endet. Am Ende schaffte es die Frau glücklicherweise, sich nach oben zu ziehen und hinauf zu steigen.

Ein Malheur, mag man denken, die Schultern zucken und meinen: Diese Madame hält künftig Abstand. C’est ça. Doch so funktioniert Verwaltung nicht. Nicht in Lüneburg zumindest.

Im Rathaus stellte sich der Chef die Frage nach Verantwortung und — immer ganz wichtig — der Haftung. Juristen wägten die großen Fragen des Seins ab, am Ende hätte jemand aus dem Reich der Aktendeckel zur Rechenschaft gezogen werden können.

Ein Bauzaun kam, es wurde weiter überlegt und geplant. Der alte Chef musste gehen, eine neue Chefin kam. Die Bürokratie arbeitete weiter, man ist da sehr gründlich.

Geländer, Zaun? Höhe, Farbe, Anmutung? Dem Denkmal Hafen muss selbstredend das passende Korsett verpasst werden. Es soll ein Zaun werden, habe ich nun gelesen. Letztlich egal, denn was kommt, passt nicht und hilft nicht wirklich — Dussel und Schlauberger mit Flugambitionen könnten das Hindernis zum Abheben nutzen.

Ich habe mal drauf geachtet und konnte weder in Lübeck, Travemünde, Rostock, Wilhelmshafen, Bremerhaven, Wismar und Stralsund Zäune in den Häfen ausmachen. An den Hamburger Landungsbrücken, an denen Zehntausende flanieren, auch nicht. Wenn dort einer in der Elbe landet, ist es oftmals jemand, der seinen Flüssigkeitshaushalt an der Reeperbahn in einen beschwingten Zustand versetzt hat und sich wie „Albatros“ Michael Groß fühlt, der im Schwimmen bei Olympiaden in den 1980er Jahren diverse Goldmedaillen einsammelte.

Wie wären statt eines Zaunes noch zwei Leitern an der Kaimauer, die ein wenig länger sind? Wie wäre es mit Sinn und Verstand im Sattel, in Fraktionen und beim Studium der Paragraphen? Wie wär’s mit dem Dichter Erich Kästner: „Das Leben ist immer lebensgefährlich.“ carlo

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare

Kommentar von Wolfgang Göttgen
am 02.04.2023 um 13:30:52 Uhr
Sehr gut beschrieben, Carlo
Kommentar von Birgit
am 03.04.2023 um 14:58:26 Uhr
In wievielen Jahren ist jetzt eine Frau dort in die Ilmenau gefallen? Und deshalb steht da jetzt dieses Bauzaun-Monster?
Wie wäre es mit etwas mehr Eigenverantwortung bei den jeweiligen Menschen? Das Leben ist ein Risiko, dass sehe ich, wie Carlo und Erich Kästner! Daher muss man auch lernen Gefahrenstellen zu erkennen und zu meiden.


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