Uelzen, am Montag den 18.08.2025

Meine Woche — Alles schwierig

von Carlo Eggeling am 22.04.2023


Meine Woche
Kannste nix machen

Paul von Hindenburg war kein Freund der Demokratie, er machte Hitler 1933 zum Reichskanzler, Deutschlands Weg in Terror und Krieg begann oder setzte sich fort. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, das Volk wählte den damals beliebten Militär 1925 direkt zum Reichspräsidenten. Nun soll die Hindenburgstraße umbenannt werden. Linke, Grüne und SPD möchten eine umstrittene Figur nicht mehr im Stadtbild ehren. Dagegen kann man einwenden, dunkle Kapitel der Geschichte kann man so nicht zuklappen. Die verschwinden nicht. Sie gehören zu einem Land dazu -- und die Verpflichtung, sich damit auseinanderzusetzen und zu verhindern, dass sich diese Geschichte wiederholt. Tilgen oder Mahnung. Ansichtssache.

Sonja Barthel soll nun Namensgeberin für eine der längsten Innenstadtstraße werden. Sie wurde als "Halbjüdin" verfolgt, saß später für die SPD im Rat, betrieb Sozialpolitik, setzte sich für den jüdischen Friedhof ein, engagierte sich bis ins hohe Alter gegen neue Nazis. Sie starb vergangenes Jahr mit 105 Jahren. Eine beeindruckende Frau, ohne Frage.

Aber ist das angemessen? Darüber könnte man diskutieren. Wenn schon, warum von der Hindenburgstraße nicht zurück zur Gartenstraße wie ursprünglich? Warum hier so politisch und konsequent?

Denn die Politik rückt wohl von zwei anderen Umbenennungen ab und kippt damit alten Beschlüsse: Die Erbstorfer Landstraße soll demnach in keinem Teil nach Hartmut Krome benannt werden, dem Unternehmer, der das weltweit tätige Unternehmen Werum mitaufbaute und sich als Mäzen engagierte.

Noch merkwürdiger: Der Düvelsbrooker Weg vertrage ebenfalls keinen anderen Namen, heißt es in einer Vorlage für den Rat. Hier geht es um Hermann Reinmuth. Der Jurist, am Düvelsbrooker Weg zu Hause, arbeitete für die Bezirksregierung in Lüneburg und weigerte sich, einen Eid auf Adolf Hitler zu leisten, engagierte sich in kritischen Gruppen, kam nach einem Urteil des berüchtigten Volksgerichtshofes ins Zuchthaus, seine Doktorwürde wurde ihm aberkannt, er starb unter ungeklärten Umständen im KZ Sachsenhausen. Eine furchtbare Geschichte, vergessen, bis die nimmermüde VVN sie vom Staub befreite und erzählte.

Anwohner fänden es nicht schön, wenn sich ihre Adresse ändern würde. In der Vorlage heißt es: "Für die Umbenennung der Erbstorfer Landstraße sind 86 Personen, für den Düvelsbrooker Weg 12 Personen angeschrieben worden. Darauf haben sich zur Erbstorfer Landstraße 29 Personen und zum Düvelsbrooker Weg 8 Personen zurückgemeldet. Die Auswertung der Rückmeldung hat für beide Straßenumbenennungen ergeben, dass die Betroffenen (Anwohner:innen, Eigentümer:innen und Gewerbetreibende) die Straßenumbenennung negativ beurteilten und sich dafür aussprachen, an stelle einer Umbenennung, neue Straßen aus einem Neubaugebiet nach Hartmut Krome und Hermann Reinmuth zu benennen. Die Betroffenen begründeten ihre Ablehnung zu der Straßenumbenennung u.a. mit dem für sie sehr hohen Aufwand, um allen erforderlichen Institutionen die Adressänderung mitzuteilen. Ein weiteres, viel genanntes Argument war, dass es sich sowohl bei der Erbstorfer Landstraße als auch beim Düvelsbrooker Weg um richtungsweisenden Straßennamen handele."

Acht Bürger reichen, um einem aufrechten Mann, der im Konzentrationslager beseitigt wurde, keine Straße zu widmen am letzten Zipfel, der in die Ilmenauwiesen ragt? Richtungsweisende Straße. Wow, da muss man mal drauf kommen. Ich schätze vorsichtig, an der Hindenburgstraße leben mindestens zwischen 300 und 500 Menschen. Die haben diese Probleme und Einwände nicht? Was wohl Sonja Barthel dazu sagen würde? Ich bin auf die Abstimmung der aufrechten und mutigen Antifaschisten gespannt. Ach ja, alles wäre einfacher, wenn man Neubaugebiete nicht blockieren würde. Wäre auch gut für die, die Hände ringend eine Bleibe suchen.

Drei Dutzend Themen für den Verwaltungsausschuss und ein ähnliches Volumen für den am Donnerstag tagenden Rat der Stadt. Einen Punkt sucht der geneigte Leser vergebens: die Suche nach einem neuen Kämmerer. Beim Jobvermittler ZFM in Bonn ist die B4-Stelle zu finden, angeblich in der dritten Ausschreibung, sie sei zum "nächstmöglichen Zeitpunkt" zu besetzen. Nicht ganz schlecht bezahlt mit gut 9000 Euro brutto im Monat. Die absolute Rathausspitze soll das Projekt zur geheimen Kommandosache gemacht haben, heißt aus dem Rathaus. Vielleicht, weil drei Bewerber aus den eigenen Reihen den Job nicht bekamen. Angeblich sollen nun zwei Kandidaten im Rennen sein, einer aus einem Ministerium in Hannover mit konservativem Parteibuch und dann jemand mit Sparkassen-Geschichte.

Alles Gerüchte. Alles gemein. Alles total daneben, weil Öffentlichkeit schade dem Ruf der Stadt und schrecke Bewerber ab, hieß es in der Vergangenheit. Spitzenjobs werden in anderen Kommunen in den Medien diskutiert, in Lüneburg war das auch mal so. Aber wer erinnert sich noch an das, was mal war. Siehe oben. Aus der Landespolitik ist zu hören, dass bestimmte Parteizugehörigkeiten an der Ilmenau gar keine Chance besäßen. Und dass man sich frage, was in Lüneburg los sei, wenn man zum zweiten Mal solche Mühe habe, eine Position zu besetzen. Wieder so eine Gemeinheit, die man gar nicht glauben mag.

Zur Erinnerung: Bei der Stelle für das Sozialdezernat gab es eine Bewerberin, die sich schon vorgestellt hatte, die zog zurück, dann kam ein Mann aus Bremen. Er hat ein passendes Parteibuch. Bei der Nachfolge von Gabriele Lukoscheck erlebte man einen ähnlichen Ablauf. Einen Bewerber aus Schleswig-Holstein hatte man, also fast, der sprang wieder ab. Nie offiziell bestätigt aus dem Verwaltungssitz. Fragen sind nicht angebracht. Wenn einmal der Wurm drin ist, tja. Da kann man niemand*innen einen Vorwurf machen.

Dass die Dezernenten eine herausragende Position besitzen und vom Rat auf acht Jahre gewählt werden -- geschenkt. Die Oberbürgermeisterin besitzt ein Vorschlagsrecht, aber das Lokalparlament entscheidet. Worüber, wenn es nicht eingebunden wird? Versprochene Transparenz für den Bürger? Nun ja, versprechen kann man sich schon mal.

Ansonsten bleiben wir heiter, denn jeder von uns weiß mit dem ehemaligen britischen Premier Winston Churchill: "Ein kluger Mann macht nicht alle Fehler selbst. Er gibt auch anderen eine Chance." Das Leben ist voller Chancen. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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