Uelzen, am Montag den 18.08.2025

Meine Woche: Entscheiden

von Winfried Machel am 19.11.2022


Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis. Diese Weisheit aus der akademischen Welt kennen Landrat Jens Böther und Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch. Die beiden und andere aus dem Aufsichtsrat der Theater GmbH drehen sie weiter: Ein Beratungsunternehmen soll Perspektiven für das Haus am Robert-Stolz-Platz entwickeln, um eine "stabile finanzielle Basis" zu schaffen. Die Bühne schrammt an der Pleite entlang. So weit, so schlecht. Die gemeinsame Pressemitteilung von Kreis und Stadt, sie sind Träger des Hauses, liest sich so optimistisch wie ein Arztbericht von der Palliativstation. Ein Patient mit wenig Chancen, die Klinik wieder zu verlassen. Es klingt nach Anteilnahme: "Unser Theater in Lüneburg ist ein echter Standortfaktor – für unsere wachsende Region, für Kulturliebhaber, aber auch Familien mit Kindern", sagen Landrat Jens Böther und Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch. "Klar ist: Wir als Träger möchten das Theater halten, doch dafür müssen wir die Finanzierung sichern." So ähnlich wiederholt das Duo diese Sätze seit Monaten. Mit dem Zusatz: Das Land solle mehr geben. Hat es, aber zu wenig für eine Zukunft. Mit anderen Städten trommeln die Verwaltungschefs in Hannover für mehr Bares. Lüneburg scheint allerdings wenig Gehör zu finden. Das ändert sich sicher mit dem Aufmarsch der Heidjer-Parlamentarier: Schließlich stellen die Grünen an der Leine mehrere Abgeordnete und sogar eine Ministerin und einen Fraktionschef. Die CDU, SPD und AfD sind zudem jeweils einmal vertreten. Da Frau OB als Grüne bei den rot-grünen Koalitionsverhandlungen mit am Tisch saß, hat sie in Sachen Theater bestimmt etwas angeschoben. Schade, das wir davon nichts in der Pressemitteilung lesen. Aber bestimmt gilt Verschwiegenheit. Was aber soll ein Beratungsunternehmen herausfinden? Denn in einem Punkt liest sich eine Einschätzung wie ein Ritterschlag: "Vor der Corona-Pandemie gehörte das Theater Lüneburg mit einer Auslastung von gut 85 Prozent zu den publikumsstärksten Häusern in Niedersachsen und konnte auch über Eintrittsgelder einen relevanten Eigenanteil zur Finanzierung leisten." Zusammengefasst: Die Theaterleute erledigen einen guten Job. Seit langem. Intendant Hajo Fouquet, sein langjähriger Verwaltungschef Volker Degen-Feldmann und seine Nachfolgerin Raphaela Weeke haben das Theater so gut aufgestellt, dass es kaum noch Möglichkeiten gibt zu sparen. Mein Kollege Hans-Martin Koch, der beste Kenner der Kultur, schreibt in der LZ, was anstehen könnte: Etwas dicht machen. Das lohne sich weder beim Schauspiel noch beim Ballett. Viel Geld käme beim Musiktheater mit dem mehr als 35 Stellen zählenden Orchester zusammen. Selbstverständlich widerspricht Fouquet: "Darum kann es nicht gehen. Das Theater Lüneburg funktioniert nur mit allen Sparten." Zwei Ausschüsse des Rates und des Kreistages sollen den Berater-Plänen grünes Licht geben. Die müssen dann gefunden und beauftragt werden, ein Ergebnis solle im Sommer 2023 vorliegen. Ups. Eine Menge Zeit. Die kommunalen Abgeordneten entscheiden jetzt über ihre Haushalte und damit auch über entsprechende Zuschüsse. Wie soll das gehen? Auch bei tiefroten Zahlen: Das Theater braucht Geld. Kein Liebesgeflüster. Wie groß die Solidarität ist, zeigte sich im Frühjahr, als das Haus Monate schloss, um Geld zu sparen. Als einziges Haus zwischen Harz und Heide. Keine Aufführungen, wie wichtig ist den Verantwortlichen Kultur? Und: Was macht man schließlich mit einem Ergebnis sicher nicht gerade billiger Fachleute? Der Spruch geht übrigens weiter: "Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis. Passt dir sein Ergebnis nicht, mach ihn wieder dicht." Richtig nahe bringen uns ARD und ZDF die Fußball-WM in Qatar. Rauf und runter erfährt das Publikum, wie schlimm es in diesem Land zugeht, Menschenrechte und Arbeitsbedingungen missachtet. Alles schlimm, ohne Frage. Rollen die Sender alles auf. Und zahlen Millionen und Millionen, um die Spiele zu übertragen. Moralische Unmoral, unmoralische Moral? Die Öffentlich-Rechtlichen sind nicht allein, andere Medien überbrücken den Widerspruch auch. Bis auf den österreichischen "Falter", der nicht berichtet. Die Zuschauer? Die machen, was Zuschauer tun. Sie schauen zu. Hoffentlich geht noch etwas anderes als zuschauen. Auch hier geht es um Entscheidungen. Wie gehen wir mit so einer Meldung aus dem Berliner Tagesspiegel um? "Tuvalu plant einen Umzug ins Metaversum. Der pazifische Inselstaat wird aufgrund des ansteigenden Meeresspiegels voraussichtlich bis Ende des Jahrhunderts verschwinden. Außenminister Simon Kofe veröffentlichte in einem Video auf Twitter eine ungewöhnliche Idee: ,Während unser Land verschwindet, haben wir keine Wahl als die erste digitale Nation der Welt zu werden'." Digital sollten Werte und Kultur verankert werden. Es braucht mehr als nette Worte. In der Welt, in Lüneburg. Carlo Eggeling

© Fotos: Carlo Eggeling


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