Uelzen, am Montag den 18.08.2025

Meine Woche — Pinkeln, wo?

von Carlo Eggeling am 10.06.2023


Meine Woche

Wohnzimmer ohne Klo



Weihnachten kommt immer überraschend, Heiligabend fehlt noch ein Geschenk. Schnell los, um etwas zu besorgen. Jahreszeiten sind genauso gemein. Hinterrücks hat sich der Sommer angeschlichen -- mit kaum erwartbaren Folgen. Wer konnte damit rechnen, dass die Kaufhausbrücke sich in eine Picknickwiese auf Beton wandelt? Die frohe Schar versorgt sich flaschenweise aus dem Rucksack, dazu ohne Mampf kein Kampf. Diese Lebensform heißt modern konsumkritisch, ganz altmodisch drücken schließlich Blase und Darm. Wohin? Wer im Viertel wohnt, riecht und tritt in die Folgen.



Es müsse etwas geschehen. Das war bereits vor zwei Jahren großes Thema, da herrschte Wahlkampf. "Lüneburgs Innenstadt ist kein Einkaufszentrum und kein Food Court, sondern im Grunde das erweiterte Wohnzimmer für die Menschen, die hier leben", war zu lesen. Wer würde bei so viel Puschen-Kuscheligkeit widersprechen. "Eine Aufstockung der Müllentsorgungs- und Hygieneanlagen am Stint" müsse her. Ach ja, die Sätze stammen von Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch und ihrer grünen Parteifreundin Andrea Kabasci. Seit gut eineinhalb Jahren regiert Frau Kalisch, ihre Grünen stellen die größte Fraktion im Rat. Die Toiletten fehlen noch immer. Wie so manches, was versprochen war. Egal.



Jetzt soll der Pinkel-Container von der Roten Straße ins Wasserviertel wandern, an die Salzstraße am Wasser, hieß es zunächst. Und weil Gegensätze spannend sind, passt grau und schrabbelig bestens zur edel sanierten Straße. Der Auftrag für die Sanierung wurde übrigens noch vom alten Rat erteilt.

Unter die Brücke an der Reichenbachstraße sollte der Kasten rücken; ins Dunkel und abgelegen. Welche Frau geht da hin? Ist die Gleichstellungsbeauftragte eingebunden, die neulich vor "Angsträumen" gewarnt hat? Der neueste Plan kursiert in der Kneipenszene: Das Klo kommt zum Werder, da wo der Pavillon steht. Der Standort ist deutlich besser, nah, hell, gut zu sehen.

Am Freitagabend habe ich den Ersten Stadtrat Markus Moßmann beim Sommerfest des THW getroffen und gefragt, ob's stimmt. "Was Sie wieder wissen." Und weg war er. Ob der Ordnungsdezernent die ehrenamtlichen Praktiker und Baufachleute, die Flüchtlingsunterkünfte für die Stadt herrichten, fragen wollte, ob sie helfen können? Das Baudezernat sei chronisch unterbesetzt, klagt Chefin Heike Gundermann oft.

Stadt der Giebel war mal. Heute gilt Stadt der Container. Am Bahnhof stehen welche, weil die Mobilitätszentrale eher immobil wirkt -- zugeklebt und tot. Gute Visitenkarte. Der Werder passt dann dazu. Sieht beides aus wie das, was mancher dalässt -- Kacke.



Zu hören sind aus der Politik die Hinweise auf die Nette Toilette, Kneipiers sollen ihre Klos öffnen. Im Ernst? Im Wasserviertel für Leute, die fünf Halbe intus, Haltungs- und Zielprobleme haben dürften? Was ist nach Mitternacht, wenn noch gefeiert wird, die Lokale aber schließen? Die Clubs haben Türsteher engagiert, um Dealer draußen zu halten, die massiv auftreten. Wie passt das mit offenen Türen zusammen? Die Oberbürgermeisterin und ihre Parteifreunde fanden die Idee eines Journalistenkollegen vor zwei Jahren echt nice: ein Nachtbürgermeister. Nötiger wäre offenbar ein Klo-Mann, eine Klo-Frau mit sozialer Kompetenz.



Kommen wir noch einmal auf die Wohnzimmer-Idee. Zum Sofa gehören für viele Bier oder grüner Tee, Kartoffel- oder getrocknete Bananenchips. Da sind wir wieder bei Blase und Darm. Wo sind die Toiletten? Eine öffentliche Aufgabe und keine von Gastronomie und Kaufhäusern.

Wer erinnert sich an Bedürfnisanstalten an der Nordlandhalle, an der alten Musikschule und einer im Rathaus, die seit, ich glaube, vier oder fünf Jahren geschlossen ist und Ende kommenden Jahres fertig sein soll. Gibt es ein Entleerungs-Konzept für die Zukunftsstadt?

Am Werder, genau da, wo künftig etwas hinterlassen werden kann, lag bis vor zehn oder mehr Jahren eine öffentliche Toilette integriert in ein Trafo-Haus. Zu teuer, zu viel Arbeit, brauchen wir nicht. Neue alte Zeiten. An den Pavillion gehört auf Sicht ein Anbau. Aber das werde dauern, heißt es aus der Verwaltung. Im nächsten Jahr sei es eher unwahrscheinlich, Haushaltsdefizit 40 Millionen. Der Dezernent wollte leider nichts sagen.

Was soll's. Keine Eile. Klimawandel, da kann es mal länger kalt und nass sein, selbst in der an sich heißesten Zeit.

Ansonsten gilt, wie schon erwähnt: Mit den Sommern ist es wie mit Weihnachten. Kommen völlig überraschend mit ihren Folgen. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare

Kommentar von Thomas Sander
am 10.06.2023 um 16:29:17 Uhr
s. Carlos FB Auftritt "Wohnzimmer ohne Klo"
Antwort von Uelzen Aktuell
am 10.06.2023 um 19:04:44 Uhr
Bemerkenswerter Kommentar. ?


Kommentar posten Kommentar posten

Ihr Name*:

Ihre E-Mailadresse*:
Bleibt geheim und wird nicht angezeigt

Ihr Kommentar:



Lüneburg Aktuell auf Facebook