Pech, Pannen, nun die Pleite — 20 000 Senioren können keine Interessenvertretung wählen
von Carlo Eggeling am 29.09.2023Gemeinhin steht an erster Stelle der Kern einer Nachricht. Bei der Mail, die Sozialdezernent Florian Forster am Freitag um 9.38 Uhr an die Fraktionsvorsitzenden, die Oberbürgermeisterin und den Ersten Stadtrat Markus Moßmann verschickte, brauchte es sieben Absätze, um die Neuigkeit zu verkünden: "Wir haben daher seitens der Wahlleitung entschieden die Wahl abzubrechen." Also keine Wahl zur Delegiertenversammlung des Seniorenbeirats. Damit ist kurz vor dem Stichtag am 2. Oktober Schluss mit dem Verfahren. Erst am Morgen hatte der ehemalige Grüne Ratsherr, Bürgermeister und Landtagskandidat Andreas Meihsies auf Lüneburg aktuell genau diesen Schritt gefordert angesichts vieler Fehler. Seine Partnerin, die ehemalige Erste Stadträtin Gabriele Lukoschek, hatte wie Hunderte andere keine Benachrichtigung erhalten. Forsters Mail kursiert inzwischen parteiübergreifend in der Politik.
Forster teilt den Ratsfraktionen sehr ausführlich mit, was schief gelaufen ist. Eigentlich sollten 19 500 Bürger, die 60 Jahre und älter sind, eine Wahlbenachrichtigung erhalten. Schon früh meldeten sich Pensionäre bei Forster und der Stadt, teilten mit, dass es etwas schräg laufe. Darunter Alt-OB Ulrich Mädge. Er, der selber kandiert, habe Forster informiert, seine Frau Carola habe Unterlagen erhalten, er selber aber nicht. Forster habe ihn abgewimmelt, sinngemäß: Es sei nicht Aufgabe des Ressortchefs sich darum zu kümmern, sondern die des "Postdienstleisters". Was aus Sicht Mädges gelinde gesagt eigenwillig ist, da die Stadt die Wahl verantworte.
Auf Fragen von Lüneburg aktuell war die Pressestelle, die mit Sicherheit im Sozialressort nachgefragt hat, nicht in der Lage, Zahlen zu nennen, sondern sprach von "einige". Das war gestern, heute spricht Forster von mehr als 500. Forster schreibt weiter -- offensichtlich mit Bezug auf Lüneburg aktuell: "Seien Sie sich allerdings versichert, entgegen der Meldungen in der Presse, dass wir sehr genau wussten und nachvollziehen konnten, um welche Personen es sich handelte." Was denn nun? Das war vorgestern und gestern Nachmittag nicht bekannt? Oder wollte man schlicht nicht antworten? Anfragen für ein persönliches Gespräch mit Forster erhielten keine Antwort. Ein neuer Stil, den man bis vor knapp zwei Jahren nicht vom Rathaus kannte.
Überdies heißt es in dem Schreiben: "Hinsichtlich der Summe von über 500 Wahlberechtigten von 20.000, also ca. 2%, kann aus Sicht der Verwaltung keine demokratische Wahl, gerade bei der Systematik der Delegiertenwahl auf den „letzten Plätzen“, mehr gewährleisten werden. Eine Zustellung der 400 Wahlunterlagen wäre praktisch noch möglich, hinsichtlich des Brücken- und Feiertages nicht zielführend." Da liegt die Frage nahe, wenn man so gut im Bilde war, warum fällt die Entscheidung, die Wahl abzusagen erst jetzt, warum handelte Herr Forster nicht früher?
Eigentlich liegt der Fehler bereits in der Vergangenheit, zumindest wenn man dem Dezernenten folgt. Rückmeldungen von Senioren hätten gezeigt, dass Handlungsbedarf bestehe. Worin der liegt, was die Rentner monieren, bleibt offen. Das Verfahren müsse überarbeitet werden. Fehler sind allerdings erst in diesem Jahr aufgetreten.
Wann die Senioren abstimmen können, ist unklar. Forster schreibt: "Wir planen in der ersten Sitzung des kommenden Jahres eine neue Wahlordnung zur Beschlussfassung durch den Rat vorzulegen und dann eine Wahl, mit Sicherheit kombiniert mit Informationsveranstaltungen zur Arbeit des Seniorenbeirats sowie der zu wählenden Kandidat:innen, durchzuführen."
Und dann kommt ein Satz, der offenbar nicht für alle gilt: "Selbstverständlich stehe ich Ihnen jederzeit Rede und Antwort zu den gemachten Fehlern." Bestimmte Journalisten scheinen ausgeschlossen. Lüneburg aktuell hat einen Fragenkatalog ans Rathaus geschickt, vielleicht hat der Dezernent nun Zeit für ein Gespräch. Carlo Eggeling
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