Uelzen, am Montag den 18.08.2025

Politik. Gemein

von Carlo Eggeling am 06.01.2024


Meine Woche

Gemein



Am Montag gehen Chaoten auf die Straße. Die wollen den Verkehr stoppen, Wege blockieren, das ganze Land lahmlegen. Das finden viele gut. Die Aktionen der Klima-Kleber hingegen kamen kurz vor Untergang der Zivilisation. Worin besteht der Unterschied? Die Frage konnte, besser wollte, der Bundeslandwirtschaftsminister am Freitagabend im Heutejournal nicht beantworten. Der Journalist hakte nicht wirklich nach. Mich würde das sehr interessieren. Die einen wie die anderen hindern Menschen, von A nach B zu kommen. Die Bauern können das viel massiver als die Ökos mit einem Fläschchen Sekundenkleber, wie soll die Polizei tonnenschwere Trecker vom Asphalt expedieren?



Ach ja, Chaoten. Wer eine Fähre stürmen will, um einen Minister zu attackieren, der hat nicht verstanden, dass Demokratie friedliche Auseinandersetzung bedeutet. Dialog wollten die Rebellen von eigenen Gnaden nicht, obwohl der aus dem Urlaub kommende Robert Habeck ein Gespräch anbot. Was sind das für Figuren, die da aufmarschieren?



Nun geben sich viele solidarisch mit den Bauern. Warum eigentlich? Warum vor allem der Bundeslandwirtschaftsminister? Der ist doch Teil einer Regierung, die Subventionen für die Bauern streichen wollte. Warum fällt Cem Özdemir seinem grünen Parteifreund, Vizekanzler Habeck, in den Rücken? War das Streichkonzert nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Haushaltstricksereien nicht abgesprochen? Dasselbe gilt natürlich für lautstarke Vertreter der beiden anderen Regierungsparteien SPD und FDP.



Es gibt sicherlich Bauern, die ums Überleben kämpfen. Vielen geht's allerdings ziemlich gut. Der Fachdienst agrarheute notiert: "Für Landwirte war das Wirtschaftsjahr 2022/23 ein Ausnahmejahr. In allen Betriebsformen wurden Spitzengewinne erzielt. Trotz der hohen Kosten. Das zeigt eine erste Trendauswertung der Buchführungsergebnisse durch den Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen."



Bei den Subventionen schaut es überdies nicht mager aus, nachzulesen bei tagesschau.de: "Im Wirtschaftsjahr 2021/22 erhielten Unternehmen der Landwirtschaft im Durchschnitt knapp 48 000 Euro Subventionen. Davon dürften etwa 5000 Euro auf Coronahilfen entfallen sein, die nicht dauerhaft fließen. Nicht eingerechnet sind Subventionen, die den Unternehmen helfen, ohne dass sie in ihre Kasse fließen. So zahlt der Staat jährlich 100 Millionen Euro Zuschuss an die landwirtschaftliche Unfallversicherung, was die Beiträge der Unternehmen mindert. Zieht man all diese Daten zusammen, ergibt sich, dass nach den geplanten Subventionskürzungen Landwirtschaftsunternehmen noch immer langfristig mit um die 40 000 Euro subventioniert werden."



Inzwischen hat die Regierung einen Teil der Kürzungen zurückgenommen. Was sollen Demonstrationen? Soll es noch mehr sein? Wer sagt, dass der Staat dem Bürger jegliche Last abnehmen muss? Wie wäre es mit dem Satz von 1961 aus der Antrittsrede des später ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy: "Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt."



Das zerstrittene Berliner Bündnis kann durchaus etwas vorweisen. Thema Umwelt: Der CO2-Ausstoß ist laut Bundesumweltamt von 1990 bis 2022 um rund 506 Millionen Tonnen oder 40,4 Prozent gesunken. Für das Jahr 2022 wurden Gesamt-Emissionen in Höhe von 746 Millionen Tonnen verzeichnet, macht ein Minus von 1,9 Prozent gegenüber dem Jahr 2021. Klar kann man das zerreden, weil weniger produziert wurde, aber es ist die richtige Richtung.

Die Bundesrepublik ist gut durch den vergangenen Winter gekommen, keiner musste frieren. Sozialleistungen, Steuerfreibeträge steigen, es gibt auf europäischer Ebene Einigungen in Sachen Migration. Und das Land wähnt sich am Abgrund. Jetzt kommen Wirte, Lüneburger machen mit, die regen sich auf, dass die zeitweilig gesenkte Mehrwertsteuer wieder bei 19 Prozent liegt. Das war der Deal. Wie wäre es mit der Haltung: "Danke, liebe Steuerzahler, dass ihr uns durch drei schwere Jahre geholfen habt mit der Corona-Entlastung."



Die Regierung ist ihre eigene Opposition. Das ist eine Crux. Kanzler wie Helmut Schmidt und Gerhard Schröder stehen für Führung, ihr sozialdemokratischer Nachfolger Olaf Scholz wirkt, als ob er nach einem geheimen Plan handle. Der scheint so geheim, dass man sich fragt, ob er ihn selber kennt. Neben Führung braucht es Erklärung, Diskussion. Wo sind die ausgemergelten Volksparteien, die auf die Straße gehen, um mit Wählern ins Gespräch zu gehen? Um Anregungen aufzunehmen, um zu hören, was Menschen beschäftigt. Damit sind wir beim Lokalen.



Wohnen, Mobilität, Bildung, Klimawandel, Kultur, Sport. Soziales. Welche Vision haben SPD, CDU, FDP und Linke, wo Lüneburg in fünf bis zehn Jahren stehen soll? Bei den mit der Oberbürgermeisterin regierenden Grünen scheint das auch nicht so klar, der Slogan im Wahlkampf "damit sich was dreht". Wohin? Bei 360 Grad steht man logischerweise wieder an derselben Stelle.



Konsens, ist zu hören, das sei der große Wandel. Wie langweilig, der Streit um Ideen gehört in die Politik. Da verabschiedet der Rat einen Haushalt und der Fraktionschef der CDU erklärt, er habe in jungen Jahren gerudert, da hätten alle abgestimmt miteinander paddeln müssen, um voranzukommen. Stimmt. Allerdings gab es doch Wettkämpfe, ich vermute mal, da wollte Wolfgang Goralczyk gewinnen. Heute nicht mehr? Warum rudern er und seine Parteifreunde mit den Grünen statt Kontur zu zeigen?



Hätten FDP und CDU neulich mit SPD und den Linken gestimmt, hätten sie gemeinsam den Etatentwurf mit einem 50-Millionen-Defizit stoppen können. Eine strategische Entscheidung. Stellt sich die Frage, welche Zusagen es an Unionisten in den Telefonaten, von denen man in der Politik munkelt, gegeben haben könnte. Vielleicht, dass das mächtig verteuerte Stadtteilhaus in Oedeme trotz Kalamitäten so schön wie geplant zu Ende geführt wird? Oder dass der vor ein paar Monaten gewählte Kämmerer ebenfalls ein CDU-Parteibuch besitzt und eben dies ein Auswahlkriterium gewesen sein könnte? Alles Spekulationen und Gemeinheiten. Politik eben. Carlo Eggeling





© Fotos: ca


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