Uelzen, am Montag den 18.08.2025

Sitzungen im Duft von Holzschutzmitteln

von Carlo Eggeling am 24.02.2024




Meine Woche
Dufte

Ich finde Lüneburger ganz schön mutig. Würden Sie in ein Haus gehen, von dem klar ist, es bestehen ziemlichen Risiken für Ihre Gesundheit? Das Gebälk wurde Mitte der 1970er Jahre mit gängiger Holzschutzchemie bearbeitet: "Lindan – ein Mittel gegen Schädlingsbefall (Insektizid), Pentachlorphenol (PCP) – ein Mittel gegen Pilzbefall (Fungizid), Dichlofluanid – ebenfalls ein Mittel gegen Pilzbefall (Fungizid). Zudem sind im Gebäude künstliche Mineralfasern vor allem in Dämm-Materialien nachgewiesen. Darüber hinaus gehen wir – wie bei vielen Gebäuden, die in den 1970ern saniert wurden – davon aus, dass bei Reparaturarbeiten asbesthaltige Putze oder Kleber genutzt wurden. Die Asbestfasern befinden sich nicht in der Luft, sondern würden erst bei Beschädigung kontaminierter Flächen freigelegt. Die Werte in den Räumen variieren. Sie liegen unterhalb der Eingriffsgrenze, die eine Nutzung ohne Sanierung nicht mehr zulassen würde. Aber eben auch oberhalb der Sanierungszielwerte, die sich die Stadt zum Teil selbst auferlegt hat, da es nicht für jeden dieser Stoffe entsprechende Wertgrenzen gibt. Die letzten Messungen haben ergeben, dass die Stoffe (Lindan, PCP, Dichlofluanid) weiterhin in der Raumluft nachweisbar sind."

Klingt nicht gesund. Ein regelmäßiger Aufenthalt pro Woche von ein bis zwei Stunden sei letztlich unbedenklich, die Erholungsphase des Körpers sei dann ausreichend. Doch Obacht: Allergikern, Asthmakranken, Kindern, Jugendlichen und Schwangeren werde ein Aufenthalt in den Räumen nicht empfohlen. Die Einschätzung stammt aus dem Rathaus und ergibt sich aus einem Merkblatt, das an Organisationen verteilt wird, die das Glockenhaus nutzen möchten.

Das Glockenhaus. Genau.

Es ist das Gebäude, für das ein frisch berufener Bürgerrat Konzepte entwickeln soll, was man in der mittelalterlichen ehemaligen Glocken- und Kanonenschmiede künftig so anstellen kann. Ich bin auf die Ergebnisse gespannt. Ein bis zwei Stunden? Halma, eine Runde Mensch ärgere Dich nicht, ein Skat- oder Doppelkopfabend dürfte schon grenzwertig ausfallen.

Gleichwohl haben Ratsparteien beschlossen, einen Bürgerrat einzusetzen. Der kommt vermeintlich aus der Mitte der Gesellschaft, der Rat selber nicht, wie einige in der Debatte damals meinten. Was ungemeine Selbstironie spiegelt, weil man ja von den Bürgern gewählt wurde, um für sie Politik zu machen, sich dazu aber nicht wirklich in der Lage fühlt. Warum ist man/frau überhaupt angetreten?

Sei's drum. Das Experiment, so ist es angelegt, kann ja Erkenntnisse bescheren. Doch warum ausgerechnet da? Bürger investieren Zeit und Ideen, was mag in einer so belasteten Bude umgesetzt werden können? Überdies kostet der Spaß 25 000 Euro für Aufwandsentschädigungen, Beratung etc., dazu die laufenden Personalkosten in der Verwaltung obendrauf. 25 000 Euro.

Wow, der Etat des Seniorenbeirats, der die Interessen von 20 000 Bürgern, die älter als 60 Jahre sind und ein Viertel der Einwohner stellen, beträgt 800 Euro im Jahr. Nur mal so. Warum kein Bürgerrat zu Schlaglöchern, für Radfahrer gefährliche Kreuzungen wie an der Schießgraben-/Altenbrückertorstraße, wo Aufstellflächen fehlen oder dem Kreisel am Krankenhaus, zur Umgestaltung von Flächen in Parkhäusern zu vernünftigen Sicherheitsbereichen für teure E-Velos? Die Vorschläge des Bürgerrats sind übrigens nicht bindend. Aber es ist immer gut, wenn wir mal drüber gesprochen haben.

Damals gab es die Aufmärsche von Corona-Skeptikern auf dem Lambertiplatz, jetzt kommen besorgte und "freiheitsliebene" Menschen auf dem Markt zusammen. Was sie eigentlich fordern, bleibt diffus. Irgendwie Verbesserungen für Bauern, Experten für Friedensverhandlungen in Sachen Ukraine scheinen sie ebenfalls zu sein. Meine Güte, wie langweilig und wirr. Völlig unverständlich, warum in eine verkehrsberuhigte Innenstadt und auf den historischen Marktplatz mit seinem angegriffenen Pflaster ständig tonnenschwere Trecker, Transporter und Autos fahren dürfen. Die Demonstranten könnten doch zu Fuß kommen oder mit dem Rad. Dann zeigt das Ganze offensichtlich den Geist dahinter: klein und kleinlich.

Interessant wirkt eine Affäre in Hannover. Ministerpräsident Stephan Weil hat seine Büroleiterin befördert, die verdient einen Batzen Geld mehr. Allerdings scheint es nicht korrekt zugegangen zu sein, wenn man den "Rundblick" liest. Hat die SPD in der Landeshauptstadt schon einmal erlebt, ein Oberbürgermeister stolperte darüber, inzwischen regiert dort ein Grüner. Man hatte den drögen Weil für klüger gehalten. Selbstverständlich greift die Opposition im Leineschloss das Thema dankbar auf.

Im Lokalen hingegen leben nur Verbündete, die Opposition zumeist lediglich vom Hörensagen kennen. Deshalb gehen eigenwillige Personalentscheidungen in einem Rathaus durch. Wer will schon Ärger, wenn's kommod viel bequemer ist. Dass eine Verwaltung umgebaut wird und auf lange Dauer auch politisch -- das ist wirklich ein böswilliger Blick. Wer will den schon haben? In diesem Sinne hoffen wir auf Sonnenschein. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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