Uelzen, am Montag den 18.08.2025

Sterben überall

von Carlo Eggeling am 14.10.2023


Meine Woche

Naiv? Realistisch?



In den Nachrichten ist gerade zu sehen, wie Israel den Gaza-Streifen angreifen will. Tote, Häuser in Schutt und Asche, und Panik, was passiert, wenn die Panzer der Israelis in den rund 40 Kilometer langen Landstrich rollen. Selbstverständlich hat der jüdische Staat ein Recht sich zu wehren, gegen Terroristen vorzugehen, die Kindern den Kopf abschneiden, Frauen schänden, wahllos morden. Menschen tun Menschen unmenschliches an. Es geht weiter, arabische Staaten unterstützen den Terror der Hamas. Israel schlägt zurück. Beide Seiten, so wirkt es, gnadenlos. Es bleibt nur die Hoffnung, dass große und regionale Mächte diplomatisch eingreifen, um das Sterben zu beenden.



Bei uns erklären sich viel solidarisch mit Israel. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sagt: "In diesen Tagen sind wir alle Israelis. In diesen schrecklichen Tagen stehen wir an Ihrer Seite und fühlen mit Ihnen." Wie kann man nicht mit den Familien fühlen? Fühlt auch jemand mit den palästinensischen Familien, die nichts mit der Hamas zu tun haben und deren Familien von Bomben und Raketen der Israelis getötet werden?

Wir sind alle Israelis? Ich glaube nicht. Genauso wenig wie Palästinenser. Aber vorher waren wir schon alle Ukrainer. Auch da ein Krieg, der nicht enden will. Auch da eine Außenpolitik, die angeblich wertegeleitet ist. Welche Werte, wenn der Tod durch das Land zieht? Manchen Politikern geht es im Nu von der Zunge, immer schwerere Waffen zu fordern. Es scheint nicht so, also würde das ein Ende des Mordens beschleunigen.

Putin spielt der Krieg im Nahen Osten in die Hände, egal, ob er die Finger im Spiel hatte oder nicht. Ein zweiter Krisenherd, der westliche Nationen fordert. Wir reden über zwei Kriege. Andere toben in anderen Winkeln der Welt. Es ist nicht gut um uns bestellt. Die Folgen haben uns längst erreicht. Menschen fliehen vor dem Krieg. Wer würde das nicht? Der Konflikt setzt sich hier fort, wir sehen das an Demonstrationen. An Zuwanderung.

Eigentlich predigen Religionen Frieden. Es wäre gut, wenn muslimische Organisationen den Terror der Hamas als unmenschlich verurteilen, wenn jüdische Organisationen mahnen, dass nicht alle Palästinenser durchgeknallte Glaubenskrieger sind, dass Israel nicht gefühlt wahllos Siedlungen beschießen kann.



All das liest sich naiv. Bestimmt. Als die USA vor vier Jahrzehnten Atomraketen in Bremerhaven anlandeten, da gab es die Sowjetunion und den Warschauer Pakt noch, haben wir mit Freunden dagegen demonstriert. Am Ende haben die Vereinigten Staaten mit ihrer Wirtschaftsmacht den vermeintlichen Kommunismus, der auch Deutschland teilte, in den Untergang gerüstet. Klar. Damals haben Hunderttausende als "Friedensbewegung" in Bonn demonstriert, die Stadt war mal Regierungssitz.



In Hamburg standen wir 1983 mit Abertausenden vor einer Bühne und hörten Ida Ehre zu. Theaterchefin, klein, verwittert und mit großer Kraft. Sie trug ein Gedicht des Schriftstellers Wolfgang Borchert vor, der den Zweiten Weltkrieg erlebt hatte und früh gestorben war. Sag nein: "Du. Mutter in der Normandie und Mutter in der Ukraine, du, Mutter in Frisko und London, du, am Hoangho und am Mississippi, du, Mutter in Neapel und Hamburg und Kairo und Oslo -- Mütter in allen Erdteilen, Mütter in der Welt, wenn sie morgen befehlen, ihr sollt Kinder gebären, Krankenschwestern für Kriegslazarette und neue Soldaten für neue Schlachten, Mütter in der Welt, dann gibt es nur eins: Sagt NEIN! Mütter, sagt NEIN!"



Vielleicht ist es doch nicht naiv, daran zu glauben und dafür zu streiten als Politiker und Politikerin. Es könnte hilfreicher sein, als sich darauf festzulegen, Israeli, Ukrainer oder sonst jemand zu sein. Diplomatie, weniger Werte, mehr Interessenausgleich auch mit den Scheusalen an der Macht. Und dazu Menschen auf der Straße, die für etwas Selbstverständliches eintreten: Menschlichkeit. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare

Kommentar von Henry Schwier
am 14.10.2023 um 17:16:39 Uhr
Danke für Deine Worte und Gedanken
Kommentar von Jochen
am 14.10.2023 um 19:59:19 Uhr
Zustimmung


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