Uelzen, am Montag den 18.08.2025

Vergeigte Episoden

von Carlo Eggeling am 30.09.2023


Meine Woche
Die Stimmung macht‘s

Der freundliche Rechtsextreme von nebenan steht heutzutage lächelnd auf der Bäckerstraße. Ohne schützende Polizisten in der Nähe, ohne die Antifa und wortmächtige Facebook-Referenten-Kommentatoren. Vergangenen Samstag parlierten die Parteigänger der AfD mitten in der Fußgängerzone so wie Freunde des Tierschutzes, des Regenwaldes, der Zeugen Jehovas. Viele kamen ohne Sorge um die politische Hygiene mit denen ins Gespräch, die gar keine Alternative für Deutschland zu bieten haben, sondern menschenverachtende Pöbeleien.

Das Unsagbare ist längst sagbar. Kein Wunder, wenn eine Partei bundesweit für jeden Fünften wählbar scheint und im Osten Umfragewerte von mehr als 30 Prozent erzielt, sind die Anhänger selbstverständlich viel sichtbarer. Der Vormittag auf der Bäckerstraße steht für eine unappetitliche Wende, die jenseits von den flammenden Reden bei Will-Maischberger-Illner stattfindet. Die AfD wird normaler. Keine Ahnung, ob's hilft, aber ich wünsche mir, dass Christ- und Sozialdemokraten, Liberale sowie Grüne auf die Straße gehen und zeigen, wie wichtig Demokratie ist -- und sich dafür selbstverständlich die Unzufriedenen anhören und Angebote machen.

Wie's nicht geht, hat uns Sozialdezernent Florian Forster gezeigt. Die Wahl zum Seniorenbeirat ist schlicht vergeigt, weil sein Ressort nach eigenen Angaben mehr als 500 der knapp 20 000 Wähler nicht erreicht hat. Übermittlungsfehler. Aha. Vielleicht hätte er einen fragen sollen, der bereits Wahlen organisiert hat? Die Kollegen sind in der Verwaltung vorhanden. Interessant ist, dass weder der Alt-OB, noch seine damalige Stellvertreterin Benachrichtigungen erhalten haben -- deren Partnerin und Partner hingegen sehr wohl. Es gab Warnhinweise, die Forster nicht ernstgenommen haben soll. Nun ist alles zu spät, alles abgesagt. Gewählt werden soll dann irgendwie im nächsten Frühjahr. Was ist das für ein Umgang mit dem Bürger?

Weil das Rathaus nun einen angeblichen Medienprofi auf der Chefetage sitzen hat, durften wir für den Wochenendstart erfahren, was die Dezernenten so machen und ihnen wichtig ist. Forster ist Queen-Fan, das ist auf jeden Fall fast so toll wie einst Freddie Mercury. Dass er allerdings auch für Kultur und Sport zuständig ist, erwähnt er nicht. Vielleicht lesen wir deshalb nichts von ihm zum ums Überleben kämpfende Theater oder einer Sportlerehrung, die ebenfalls vergeigt wurde. Kann mal passieren, wenn man so viel um die Ohren hat.

Die Dezernenten, so erzählt uns die Bild-inspirierte Homestory, "erfüllen ähnliche Aufgaben wie ein Bundesminister auf Bundesebene oder ein Landesminister auf Landesebene und leiten jeweils einen festgelegten Geschäftsbereich (Dezernat)". Minister werden allerdings ernannt, Dezernenten sind Wahlbeamte, das heißt, sie haben eigentlich auch ein politisches Mandat. Das würde bedeuten, sie haben eine Idee, wohin sie wollen. Davon ist wenig zu spüren. Na ja, was soll's.

Nun feiern wir Sülfmeistertage. Besonders schön ist der Beginn mit keltischer Musik am Freitag. Eine super Verbindung zu Irland, Schottland, Wales und Cornwell gab es immer, wir waren quasi eine Außenstelle ohne Druiden. Da braucht es keine Bands, die sich mittelalterlicher Musik verbunden fühlen. Seien wir offen.

Besonders ist auch, dass die Marktbeschicker weichen müssen, neuer Spielort Markt statt Sand. Auf Anordnung, wie mehrere erzählen. Groß gesprochen habe man nicht mit ihnen. Es habe einen Rundgang der Oberbürgermeisterin gegeben, die sonst so gut wie nie auf dem Markt zu sehen ist, für ein Stimmungsbild, das wohl nicht interessierte, denn ruck zuck danach sei die Pressemitteilung raus gewesen: Stadtparty auf dem Markt.

Reiner Zufall, dass die Marktleute keine Mannschaft stellen, einige an diesem Wochenende Urlaub machen. Die freuen sich so, dass sie an ihren umsatzstärksten Tagen in die Nebenstraßen ausweichen müssen und um die zwanzig Prozent weniger in der Kassen haben. Neues Konzept, da kann man nicht alles berücksichtigen. Das gilt auch für Radio ZuSa, den lokalen Sender, der sein schmales Budget durch Moderationen aufbessern muss, um überhaupt klarzukommen. Ewig dabei. Gestrichen, andere Moderatoren zum Henker. Solidarität mit der Region ging mal anders.

Das Leben macht Spaß, und auf der Titanic soll das Orchester auch noch bis zum Schluss gespielt haben. Hauptsache, die Stimmung stimmt. Oder man glaubt das zumindest. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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