Uelzen, am Montag den 18.08.2025

Verkehrter Verkehr

von Carlo Eggeling am 02.10.2023


Lüneburger Gesichter (53)
In lockerer Reihe stelle ich unbekannte Bekannte vor

Verkehrter Verkehr -- Oder warum Sachlichkeit politisch werden kann
Der Verkehrsexperte der Polizei, Andreas Dobslaw, geht in den Ruhestand

Andreas Dobslaw ist ein politischer Mensch. Im Nachbarkreis Uelzen amtiert er ehrenamtlich als stellvertretender Landrat. Als Parteiloser, nachdem er und die SPD nach einigem Hickhack getrennte Wege gehen. Gleichzeitig arbeitet er als Polizist. Da gilt es, sich nicht politisch zu äußern, sondern sachlich. Aber Sachlichkeit kann eine politische Wirkung erfahren. Gerade in Fragen der Mobilität sind viele unterwegs, die vor allem eins haben: eine Überzeugung. Es schlittert sich rutschig-riskant wie bei nassem Laub auf dem Radweg.

Dobslaw hat es erlebt, als er vor ein paar Monaten erklärte, aus polizeilicher Sicht halte er wenig davon, den Radweg an der Hindenburgstraße von der jetzigen Trasse auf die Fahrbahn zu verschwenken. Das sehe nicht nur er so, sondern die Verkehrsbehörde ebenfalls: Es sei dort schlicht zu eng, wenn sich beispielsweise zwei Busse begegnen, zudem noch Radler auf der Straße strampeln. Sogenannte Dooring-Unfälle gebe es dort nicht, davon zählte die Polizei in den vergangenen drei Jahren gerade mal ein halbes Dutzend im gesamten Landkreis. Doch wer einen Fahrradstraßenring fordert, nach dem Motto Freie Fahrt für freie Radler, kann mit so einem Blick auf den Asphalt schlecht leben.

Zu diesem Thema möchte der Beamte nichts mehr sagen. Es grummelte im Hintergrund bei Organisationen, Auf der Hude. Weil Sachlichkeit eben doch politisch sein kann. Er lächelt bei entsprechenden Fragen: "Dazu ist von meiner Seite alles gesagt." Der Erste Polizeihauptkommissar kann durchaus Politiker. In diesem Monat geht er mit 62 Jahren in den Ruhestand. Rund 17 Jahre vertrat er die Sicht der Polizei als Sachbearbeiter Verkehr unter anderem in den Verkehrsunfallkommissionen in den drei Landkreisen der Inspektion, also Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg. Eine Bilanz.

Gemeinsam mit den Vertretern der Kommunen und Straßenbaubehörden hat er Unfallschwerpunkte an Kreuzungen entschärft, Alleen mit Leitplanken sichern lassen, um die Zahl der sogenannten, oft tödlichen, Baumunfälle zu senken, die B 4 Richtung Uelzen wird um- und ausgebaut, um so lebensgefährliches Überholen unmöglich zu machen beziehungsweise Streifen anzubieten, auf denen man am tuckernden Trecker oder bummeligen Rübentransporter vorbeiziehen kann.

Klaus Reschke hat ihn dafür in der Landeszeitung gelobt, Dobslaw habe so Leben gerettet oder doch zumindest schwere Unfälle verhindert. Das freut den Polizisten, der sich dafür in zig Runden oftmals sehr nervenzehrende Debatten liefern musste.

Wir sind wieder bei der Sachlichkeit. Den Kreisverkehr an der Bögelstraße/ Krankenhaus habe man über Jahre nicht angepackt, obwohl die Zahl der Unfälle, an denen es vor allem Radler traf, es gefordert hätte. Dafür seien andere Projekte forciert worden. Markierungen, Ampeln und Signalanlagen am Moldenweg, an den beiden Kreuzungen Scharff und Scholze an der Schießgrabenstraße. Dabei wäre es sinnvoller, mehr Platz zu schaffen, für die, die mit ihren Rädern und vom Bahnhof kommen oder dahin wollen, denn solche Knotenpunkte gelten als unfallträchtig.

Schon vor Jahren prognostizierte Dobslaw, dass es mehr stürzende und angefahrene Zweiradmobilisten gebe werde, schlicht weil sie immer mehr werden und zum anderen, weil Senioren sich mit E-Bikes viel beweglicher fühlen. Allerdings nicht immer damit klarkommen, dass ihr Velo nicht mehr lediglich 12, 13 km/h schafft, sondern locker das Doppelte. Autofahrer würden überdies das neue Tempo unterschätzen: Oldies auf Speed. Die nächste Aua-Welle baut sich auf: E-Roller, die Menge steigt, die Knochenbrüche nehmen zu.

Dobslaw empfiehlt, Unfallstellen künftig nicht allein aufgrund der Häufigkeit, sondern ebenso in Sachen Alter in den Blick zu nehmen. Bei Lastenrädern wäre des Öfteren ein Training sinnvoll, so ein SUV-Teil will beherrscht sein: "Kinder, die da drin sitzen, sollten einen Helm tragen." Denn nicht jede Mutter, nicht jeder Vater kommt mit dem Kurvenverhalten so eines Kolosses klar.

Man muss es erwähnen, der Polizist fährt gern Rad. Auch deshalb ist er für vier Tage nach Kopenhagen gereist, dem Mekka aller Speichenbegeisterten. "Die größte Gefahr geht da nicht vom Auto aus, sondern vom Radfahrer", sagt er. Die Wege seien gut ausgebaut, das Tempo hoch. Autos führen auf anderen Routen, dazu Tiefgaragen. Alles fein, aber das Ergebnis eines jahrzehntelangen Umbaus der Politik und der Stadt. "Wenn man dort eine Straße umgestaltet, fragt man sich vorher, wie leiten wir den anderen Verkehr anders?"

Vorsicht, jetzt wird's wieder sachlich. Initiativen wollen auf der Schießgrabenstraße aus zwei Spuren Radtrassen machen, nur noch zwei sollen für Autos, Busse und Laster offenstehen. Den Glauben, werde es unattraktiver Auto zu fahren, würden mehr im Wortsinne umsatteln, nennt Dobslaw angesichts von immer mehr Autos "Ideologie". Denn der Verkehr "staut sich schon jetzt zurück bis in die Hindenburgstraße und in der anderen Richtung ist es ähnlich". Er kennt das, denn er fährt aus Wrestedt nach Lüneburg: "Mit dem Metronom geht das nicht zuverlässig. Keine Alternative."

Zudem gibt es keine Umleitungsroute für die Ostumgehung oder die geplante A 39. Muss die Schnellstraße, wie schon geschehen, nach einem Unfall mit einem ausgebrannten Lkw komplett gesperrt werden, schiebt sich die Blechkarawane über Bockelmann-, Schießgraben- und Willy-Brandt-Straße. Was also komme nach einer Sperrung auf die Stadt und die Anwohner zu?

Als sachliche Anmerkung: Die Radler-Inis würden den Radweg am Lösegraben zumeist nicht erwähnen, den die Stadt in Abstimmung mit den damaligen Naben-Vertretern des ADFC vor etwa einem Jahrzehnt für Hunderttausende umbauen ließ -- velofreundlich.

Seinen Nachfolger Andreas Fündling hat er miteingearbeitet, der hat weiterhin gut zu tun. Andreas Dobslaw geht nun, und bleibt doch. Bei der Landesverkehrswacht übernimmt er das Amt des Gebietsbeauftragen für sechs Landkreise im Nordosten Niedersachsens. Zudem macht er sich mit einem Beratungsbüro für Verkehrsfragen selbstständig. Dann ist da der Job als stellvertretender Landrat. Opa ist er seit jüngstem auch. "Ich kann nicht zu Hause sitzen und die Wand angucken", sagt er und lacht. Wird nicht passieren. Fehlen werden ihm Kollegen und alle mit denen er zusammengearbeitet hat.

Er hängt die Dienstmütze an den Nagel. Auf Verkehrsfragen schaut er weiterhin sachlich. Aber am Ende kann's doch politisch werden. Wer weiß. Carlo Eggeling

Das Foto (ca) zeigt Andreas Dobslaw vor einer Karte, die zeigt, wo es besonders viele Unfälle gab.

© Fotos: ca


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