Von der Garnisonsstadt zur Kultur- und Uni-Stadt
von Carlo Eggeling am 25.02.2022Carlo berichtet !
Alt-OB Ulrich Mädge blickt auf 30 Jahre seiner Amtszeit zurück Teil 1
Zeitenwende, heute wegen des Klimawandels. Doch vor gut drei Jahrzehnten gab es auch eine Zeitenwende, damals brach die DDR zusammen, die deutsche Wiedervereinigung begann 1989/90. Als der "Feind im Osten" verschwand, brauchte es in Lüneburg keine drei Kasernen und keinen Bundesgrenzschutz mehr mitten im Land. Es war klar, dass ein Umbruch für die Garnisonsstadt mit ihren gut 6500 Soldaten und 500, 600 BGS-Leuten anstand. 1991 wurde Ulrich Mädge zum Oberbürgermeister gewählt. Im Herbst vergangenen Jahres endete seine letzte Amtszeit. Ein Resümee. Im Gespräch listet der 71-Jährige vier maßgebliche Punkte seiner 30 Jahre an der Spitze der Stadt auf. Zu Beginn hatte er drei Wegbegleiter, mit denen er seine Partei, die SPD, auf neue Ziele festgelegt hatte: Wolfgang Schurreit, der Landtagsabgeordneter und später Landrat war, Uwe Inselmann, ebenfalls Landtagsabgeordneter und inzwischen verstorben, und Harald-J. Firus, einer der maßgeblichen Köpfe im damaligen Stadtrat.
In zwei Teilen blickt Mädge auf seine Jahre im Rathaus zurück. Der Beitrag ist bereits im Bürgerbrief des Bürgervereins erschienen, Vereinsvorsitzender Rüdiger Schulz bat um einen Beitrag
Verkehrswende
"Unser Ansatz war, Lüneburg verkehrsarm zu machen", sagt der Alt-OB. Das bedeutete, dass Sand und Markt weitgehend vom Autoverkehr befreit werden sollten. Vorfahrt für Busse und Fahrrad. Großes Vorbild war Lübeck, die Hansestadt an der Trave hatte bereits vorher auf diese Ideen gesetzt. Heiße Diskussionen über Monate. Doch der Rat hatte dem Wandel bereits Ende 1990 zugestimmt, unter Mädges Vorgänger als OB, Jens Schreiber (CDU) und Reiner Faulhaber als Oberstadtdirektor und damit damals Verwaltungschef. 1993 wurde das Konzept umgesetzt: "Gegen den Widerstand von einigen aus dem Handel und gegen die Landeszeitung, die versucht hatte, mit einer Telefonumfrage Stimmung gegen die Pläne zu machen." Einige Händler ließen symbolisch die Lichter ausgehen. Trotzdem galt: Kurs halten. Der Radverkehr sollte einen Anteil von 25 Prozent erhalten, das sei nach etwa zehn Jahren erreicht worden. Im Zuge des sogenannten Verkehrsentwicklungsplanes (VEP) gestaltete die Stadt Straßen zu verkehrsberuhigten Zonen beziehungsweise Fußgängerzonen, beispielsweise die Glocken- und Schröderstraße. In einem weiteren Schritt entstand zunächst ein Fahrradparkhaus am Bahnhof, hochumstritten und verlacht. Heute steht eine zweite Station, eine dritte soll folgen. Zudem errichteten Bauarbeiter einen Busbahnhof, zum einen um eine bessere Anbindung an die Schiene zu schaffen, zum anderen, um den alten ZOB am Sand zu entlasten. Parkhäuser für Autos am Bahnhof für Pendler wuchsen in die Höhe, angebunden durch eine neue Fußgängerbrücke. Weitere Parkhäuser kamen hinzu am Graalwall und im späteren Lünepark -- für Kunden und Mitarbeiter des städtischen Einzelhandels. Hamburg rückte näher: Stadt und Kreis traten dem Hamburger Verkehrsverbund (HVV) bei, das heißt: einheitliche Tarife und ein dichterer Takt, um an die Alster zu gelangen. "Mit Hamburg haben wir auf Augenhöhe verhandelt", sagt Mädge selbstbewusst. Vieles müsse weiterentwickelt werden -- auf einem soliden Fundament. Nicht einfach. Der ehemalige OB macht darauf aufmerksam, dass bei den Planungen zum einen ein mittelalterliches Straßenbild berücksichtigt werden müsse und andere Bedingungen: Reichten damals 1,50 Meter breite Radwege, sollen sie heute mindestens 2,50 Meter breit sein. Das umzusetzen, sei oft schwierig. Nehme man beispielsweise Autostraßen weg, könne es unter anderem für den Rettungsdienst zu Verzögerungen kommen, wenn er einen Herzinfarktpatienten etwa aus Wendisch Evern oder Bardowick ins Klinikum bringen müsse. Wie schon in den 90er Jahren gelte es, einen Konsens zu finden, der die Bürger mitnehme: "Dafür muss man sich Zeit nehmen." Vor allem dürfe der soziale Aspekt nicht vergessen werden: Menschen, die nicht so gut zu Fuß sind, müssten eben auch zum Arzt oder zum Flanieren in die Stadt gelangen. "Mein Eindruck ist, dass die meisten Lüneburger mit dem Rad oder dem Bus in die Innenstadt kommen", sagt Mädge. Doch wer im Landkreis, in Betzendorf, Barskamp, Bardowick oder Vögelsen wohne, setze sich ins Auto. Eben das müsse im Blick bleiben -- auch im Gespräch mit Gemeinden, die neue Baugebiete ausweisen.
Von der Kaserne zur Uni
Drei Kasernen der Bundeswehr gehörten zur Stadt, die Schlieffen-Kaserne wandelte sich in ein Behördenzentrum und ins Hanseviertel. Aus der Scharnhorst-Kaserne wurde die Universität. Es sei klar gewesen, dass Lüneburg den Abzug der Soldaten auffangen musste. Die ehemalige Pädagogischen Hochschule und die Fachhochschule verschmolzen über Jahre zur Leuphana. Zu Beginn zogen einige Akteure an einem Strang. Dazu gehörten neben Mädge sein Vorgänger Jens Schreiber von der CDU, Oberstadtdirektor Faulhaber, der damalige Uni-Präsident Hartwig Donner, die Abgeordneten Inselmann und Schurreit und die zuständige Ministerin Helga Schuchardt in Hannover sowie Gerhard Schröder, damals Ministerpräsident an der Leine. Die Bundesregierung unter Helmut Kohl und das Verteidigungsministerium unterstützten ebenfalls. "Nach der Gründungsphase durch Professor Donner hat sein Nachfolger, Sascha Spoun, die Uni zukunftsfähig ausgerichtet", sagt Mädge Die Studiengänge seien neu geordnet worden, das Zentralgebäude des Architekten Daniel Libeskind präge das Viertel und habe über die Stadtgrenzen hinaus Bedeutung. Die Uni belebe die Stadt, auch politisch: "Das sehen wir am aktuellen Rat." Zudem seien 9000 bis 10 000 Studenten sowie Dozenten und Mitarbeiter ein Wirtschaftsfaktor, nicht nur für den Handel, sondern auch für Handwerk, Handel und Gastronomie. Im nächsten Teil geht es um Bauen und Gesundheit sowie Lebensqualität und Kultur.
Der zweite Teil ist in wenigen Tagen online
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