Warum Wahlen in der Türkei auch bei uns eine Rolle spielen
von Carlo Eggeling am 17.04.2023Leyla Îmret wurde 2014 zur Bürgermeisterin der türkischen Stadt Cizre gewählt. Nachdem der Konflikt zwischen Kurden und dem türkischen Staat wieder aufflammte, wurde sie im darauf folgenden Jahr vom Innenministerium ihres Amtes enthoben -- wie Dutzende andere kurdische Bürgermeister. Der Vorwurf: Aufwiegelung des Volkes zum bewaffneten Aufstand gegen den Staat. Es gab in ihrer Stadt Unruhen, die kurdische Organisation PKK spielte eine Rollen. Die Politikerin floh 2017 nach Deutschland, sie erhielt politisches Asyl. Über die Lage in der Türkei spricht die 36-Jährige am Donnerstag, 20. April, in Lüneburg. Der Hintergrund sind die anstehenden Wahlen in der Türkei. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung lädt aus diesem Anlass bundesweit zu Diskussionsrunden ein.
Leyla Îmret kam nach dem Tod ihres Vaters, eines PKK-Kämpfers, im Alter von neun Jahren nach Deutschland. Sie wuchs in Osterholz-Scharmbeck auf. Lernte dort nach der Schule Kinderpflegerin und zur Friseurin. 2013 kehrte sie in ihre Heimat zurück und engagierte sich politisch.
Olaf Meyer und seine Mitstreiter gehören zu einer Solidaritätsgruppe für kurdische Aktivisten. Sie begleiten die Veranstaltung hier. Meyer sagt das, was auch in den Nachrichten berichtet wird: Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der seit 2014 an der Spitze seines Landes steht, regiert zunehmend autokratisch. Er geht gegen Kritiker und vor allem militärischen gegen kurdische Bewegungen und Parteien vor.
Nach dem Erdbeben in der Türkei wächst die Kritik an ihm und seiner Partei. Das Hilfesystem funktioniert nur mangelhaft, kurdische Gebiete werden kaum bedacht. Es zeigte sich aber auch, dass viele Häuser in den vergangenen Jahren schlecht gebaut wurden, die Bauverwaltung hatte nur schlampig kontrolliert, Gebäude stürzten ein. Meyer sagt: "Erdoğan und seine nationalistische AKP entscheiden, wo unterstützt wird und wo nicht."
Die politische Situation in der Türkei findet ihren Widerhall in Deutschland mit starken türkischen und kurdischen Gemeinden. Im vergangenen Wahlkampf gab es Massenveranstaltungen in Metropolen und im Ruhrgebiet -- Erdoğan betrieb auch hier Wahlkampf. Denn viele in der Bundesrepublik lebende Menschen mit türkischen Wurzeln haben eben auch diese Staatsbürgerschaft und dürfen in ihren alten Heimat mit abstimmen. Angesichts der Lage am Bosporus könnte die Opposition gute Chancen haben, die Ära Erdoğan zu beenden.
Am Donnerstag sind von 19 Uhr an im "Freiraum" an der Salzstraße 1 (Vierorten) zu Gast:
Sehnaz Layıkel Prange ist Vorstandsmitglied der Fraueninitiative Puduhepa e.V. und promoviert
zur Rolle der Kunst nach sozialpolitischen Traumata.
Eyüp Özer ist Gewerkschaftssekretär für internationale Angelegenheiten bei Birleşik Metal İş,
eine Mitgliedsgewerkschaft der Konföderation DİSK.
Leyla Îmret ist Ko-Vorsitzende der HDP Deutschland, nachdem sie als Bürgermeisterin von Cizre abgesetzt wurde und ins Exil floh.
Moderation: Svenja Huck (Journalistin).
Die Veranstaltung wird deutsch-türkisch simultan übersetzt. ca
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