Uelzen, am Montag den 18.08.2025

Wolfsland

von Carlo Eggeling am 01.12.2022


Im Amt Neuhaus reißen die Jäger auf vier Pfoten immer wieder Schafe. Aktuell in Stiepelse. Die Menschen sind in Sorge

Als Katrin W., ihren vollen Namen möchte sie hier nicht lesen, ihre Schafe füttern wollte, dachte sie: "Ich bin auf einem Schlachtfeld. Vier Tiere waren tot, aufgerissen. Drei hatten Wunden an den Hälsen." Die mussten eingeschläfert werden. Ein achtes Tier starb einen Tag später: "Tot umgefallen. Ich glaube, es war der Schock." Nicht der einzige Vorfall, wie die Schafhalterin in Stiepelse im Amt Neuhaus schildert. Von ihren Nachbarn weiß sie, dass regelmäßig Schafe getötet auf den Weiden liegen. Sie ist überzeugt: "Es waren Wölfe."

Das weiß man auch bei der Landwirtschaftskammer, die für Schadenersatz zuständig ist. Dort teilt Pressesprecher Wolfgang Ehrecke mit: "Den Spuren vor Ort nach gehen unsere Förster von einem Wolfsangriff aus. Es wurden zur Prüfung DNA-Proben genommen." Die werden nun untersucht, um die Risse Wölfen zuordnen zu können. Der Sprecher: "Nach den Aufzeichnungen meiner Kolleginnen vom Forst ist es im Bereich der Gemeinde Amt Neuhaus im Oktober und im November 2022 mehrfach zu Wolfsangriffen auf Nutztiere (Schafe) gekommen. Auch im vergangenen Jahr gab es mehrere Übergriffe auf Nutztiere."

In einer Statistik des niedersächsischen Umweltministeriums und der Landesjägerschaft finden sich Zahlen. Demnach gab es im Amt Neuhaus im laufenden Jahr 13 sogenannte Übergriffe, bei denen 47 Schafe getötet sowie 11 verletzt wurden. Drei Schafe gelten als "verschollen".

Der Landstrich an der Elbe scheint Wolfsland zu sein. Die Tiere vermehren sich. Anwohner erzählen, dass man vor zwei, drei Wochen drei Wölfe mitten in Wendischthun gesehen habe, auch in Sumte und Kaarßen seien Wölfe gesehen worden, mutmaßlich dieselben. Den Erzählungen zu Folge sollen zwei Rüden, eine Fähe und Welpen durch die Region streifen. Berichte über Sichtungen und Übergriffe finden sich -- nach einer Recherche im Internet -- seit 2017 regelmäßig.

Zum Jahreswechsel wurden zwei Wölfe erschossen. Das Umweltministerium hatte dafür Genehmigungen erteilt. Denn eigentlich steht der Wolf unter strengem Schutz und darf nicht bejagt werden. Marko Puls, stellvertretender Bürgermeister von Neuhaus, sagt, dass der neue Umweltminister in Hannover, der Grüne Christian Meyer, die noch geltende Abschussgenehmigung für einen sogenannten Problemwolf widerrufen habe. So bleibt das Auto der größte Feind des Jägers auf vier Pfoten. Immer wieder berichtet die Polizei landauf, landab, dass Tiere überfahren wurden.

Puls, im Hauptberuf Polizist, schildert, dass er immer wieder von Übergriffe höre. Allerdings sagt er auch: "Es wird gar nicht mehr alles gemeldet. Das ist eine Lauferei." Um Schadenersatz zu erhalten, müsse man einen Schutz nachweisen. Der sei aufwendig. Das Land bezahle einen Zaun, aber eben nur einen Teil. Das reiche oftmals nicht bei den riesigen Grundstücken. Nicht jeder könne seine Schafe nachts in einen Stall treiben.

Die Unsicherheit ist groß. Kathrin W. erzählt, dass sie in Sorge sei: "Im Sommer war ich mit den Kindern im Garten, ich überlege mir jetzt, ob ich das wieder mache." Auch die Kleinen auf dem Rad von Dorf zu Dorf fahren lassen -- da habe sie ein mulmiges Gefühl. Eigentlich greift der Wolf keinen Menschen an, aber gelte das auch für die Kinder?

Wolfsberaterin Ulrike Kressel sagt, dass der Herdenschutz verbessert werden müsse. Auch sie verweist auf Zäune, die bis in den Boden reichen. Das Land bezahle das Material. "Das ist ein Aufwand, klar. Aber die Halter haben Verantwortung für ihre Tiere." Fatal sei, dass die Wölfe lernten, wie einfach es für sie sei, auf der Weide in eine Schafherde einzubrechen. Einfach übersetzt: Es wirkt quasi wie ein Büfett, anders als im Wald hinter einem Wildschwein hinterher zu laufen und es zu erlegen. Was die Alten ihnen vormachen, kopieren dann die Jungtiere.

Die Beraterin blickt zudem auf die Landschaft. Viele Dörfer zwischen Dömitz, Lübtheen und Boizenburg seien eben kaum als Dorf zu bezeichnen: "Eher einzelne Höfe. Da ziehen die Wölfe durch." Häuser seien aus der Sicht der Tiere Ansammlungen von Steinen.

Der Lokalpolitiker Puls erzählt, neulich hätten Jäger vier Wölfe gesehen, im Wald hätten sie ein Reh schießen können -- es sei kaum noch Wild da, so der Eindruck. Allerdings gebe es auch Schilderungen, die wohl wenig mit der Realität zu tun haben: "Da ist viel Gesabbel." Deshalb plädiert er dafür, jeden Riss und Übergriff zu melden, um mehr Fakten zu sammeln. Carlo Eggeling

Die Bilder zeigen, die Besitzer mit ihren getöteten Schafen

© Fotos: Schweinsberg


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